Sonntag, 27. März 2016

Das Nötigste auf Pump - Jobcenter als Kreditgeber


Bereits seit einiger Zeit nun hat es sich bei den Jobcentern eingebürgert, alle möglichen Sonderbedarfe als Darlehen zu gewähren. Ob eine Mietkaution zu leisten, eine neue Matratze zu kaufen oder die Waschmaschine defekt ist, regelmäßig wird den Empfängern von Leistungen nach dem SGB II ein Darlehen angeboten. Bei vielen Leistungsempfängern führt dies dazu, dass sie sich zunehmend beim Jobcenter verschulden. Da die Jobcenter gleichzeitig die gewährten Darlehen in Höhe von jeweils 10 % des Regelsatzes mit den laufenden Leistungen verrechnen, ist es für viele Leistungsempfänger eigentlich überhaupt nicht mehr möglich, aus den ohnehin knapp bemessenen Regelsätzen noch Geld für künftige Anschaffungen zurückzulegen. Insbesondere für junge SGB II-Empfänger, die altersbedingt oftmals ohnehin noch große Probleme haben, sich ihr Geld einzuteilen und mit den niedrigen Regelsätzen kaum über die Runden kommen, ist es schwer, den Weg ins Berufsleben zu finden, wenn sie mit hohen Beträgen beim Jobcenter verschuldet sind.




Jobcenter stellen die Situation regelhaft so dar, als dürften sie gar nicht anders, als auf Darlehensbasis leisten. Dies stimmt jedoch nicht. Denn in aller Regel „sollen“ zusätzliche Bedarfe zwar als Darlehen geleistet werden, die Formulierung „sollen“ räumt den Jobcentern aber ein Ermessen ein, das nur selten angemessen ausgeübt wird. 

Gegen die Praxis der Gewährung von Darlehen und die damit einhergehende Aufrechnungen von Ratenzahlungen gegen die Regelleistung gemäß § 42a Abs. 2 SGB II werden unter anderem seitens des Sozialgerichts Berlin-Brandenburg gewichtige verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Diese werden insbesondere damit begründet, dass die laufende Minderung der Leistung zur Deckung des Regelbedarfs wegen Aufwendungen für ein Darlehen die vom BVerfG geforderte Möglichkeit negiere, Ansparungen auf Regelbedarfsanteile vorzunehmen.  Dem Bundessozialgericht liegt die Rechtsfrage derzeit unter dem Aktenzeichen B 4 AS 14/15 R zur Entscheidung vor.

Insbesondere wenn die gleichzeitigen Tilgungsleistungen über einen längeren Zeitraum hinweg zu einer Minderung der Regelsätze führen, sollten Leistungsempfänger gegen den Darlehensbescheid vorsorglich Widerspruch einlegen und rechtlichen Rat suchen. Dies ist auch dann möglich, wenn zuvor ein Darlehensvertrag oder eine Abtretungserklärung unterzeichnet wurde. 

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben oder sich durch uns beraten lassen wollen, nehmen Sie Kontakt mit uns auf.

Doris Kindermann


Sonntag, 20. März 2016

Tanz ins Glück?

Selbständige Tanzlehrer können versicherungspflichtig in der Künstlersozialkasse (KSK) sein.

Manchmal werden Streitigkeiten bis zum Bundessozialgericht weitergeführt, über die man sich etwas wundert. Mit Urteil vom 25.11.2015 (B 3 KS 3/14 R) musste das Bundessozialgericht klarstellen, dass auch moderne Tanzformen wie Jazztanz, Modern Dance und Hip Hop eine künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 1 KSVG darstellen können. 

Ausgangspunkt war die Klage einer selbständigen Tanzlehrerin, die hauptberuflich in verschiedenen Tanzschulen unterrichtete mit dem Ziel, ihre Schüler zu Tänzern und Tänzerinnen auszubilden. Sie stellte einen Antrag auf Versicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz, da sie im Sinne des § 1 KSVG darstellende Kunst, nämlich Jazztanz, Modern Dance und Hip Hop lehrte. Die Aufnahme in die KSK wurde ihr jedoch verweigert weil seitens der Künstlersozialkasse aufgrund eines früheren Urteils des Bundessozialgerichts (BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 10 RdNr 18 f - "Tango Argentino“) die Auffassung vertreten wurde, dass Jazztanz grundsätzlich keine darstellende Kunst, sondern lediglich Breitensport sei. 





Das Bundessozialgericht hat nun klargestellt, dass es für die Frage der Versicherung nach dem KSVG  - soweit alle weiteren Voraussetzungen erfüllt sind - entscheidend darauf ankommt, ob der Tanz als Sport oder ob er als Kunstform unterrichtet wird. Ob Tanz als Sport oder als Kunstform betrieben wird, hängt nicht von der Tanzrichtung ab. Vielmehr ist in jedem Einzelfall zu prüfen, in welchem Kontext der Tanz bzw. der Tanzunterricht schwerpunktmäßig ausgeübt wird und ob er als Sport betrieben oder als Kunst dargeboten wird. Für die Frage, ob ein Tanz als Sport oder als Kunst betrieben wird, kann es z.B.  auf die Frage ankommen, ob Darbietungen und Wettbewerbe in einer Sporthalle ausgeführt werden und ob Regeln und Wertungsmaßstäbe aus dem Bereich des Sports angelegt werden (wie z.B. bei Standardtänzen), oder ob die Wettbewerbsteilnehmer ihre Darbietung auf einer Bühne vorführen und bei der Bewertung überwiegend künstlerische Maßstäbe (wie bei Ballettwettbewerben) angelegt werden.  Im ersten Fall wird es sich eher um Sport handeln, im zweiten um Kunst. Nicht versicherungspflichtig dürften hiernach Tanzlehrer in Sportvereinen und Fitnessclubs sein. Tanzlehrer hingegen, die ihre Schüler mit ihrem Unterricht zu Bühnentänzerinnen und -tänzern ausbilden sind versicherungspflichtig nach dem KSVG. Zwischen diesen beiden Extremen gibt es viele Einzelfälle geben, in denen jeweils eine Einzelfallbewertung wird stattfinden müssen.

Weil des einen Freud nicht selten des anderen Leid ist, sollten selbständige Tanzlehrer - soweit sie noch nicht in der Künstlersozialkasse versichert sind - unbedingt ihren versicherungsrechtlichen Status überdenken: Denn die Versicherungspflicht in der KSK ist nicht von einem Antrag abhängig, sondern entsteht kraft Gesetzes. Wer als selbständiger Tanzlehrer tätig und in der KSK versicherungspflichtig ist, kann daher - wenn er sich nicht zur KSK anmeldet - auch Jahre  später noch zur Zahlung der Versicherungsbeiträge herangezogen werden. Das ist besonders ärgerlich, wenn man sich  - in Unkenntnis der Versicherungspflicht - bereits anderweitig versichert hat und die dort bezahlen Beiträge nicht erstattet bekommen kann. 

Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben oder sich durch uns beraten lassen wollen, nehmen Sie Kontakt mit uns auf.

Doris Kindermann




Sonntag, 6. März 2016

Künstlersozialabgabe - Money for Nothing?

Musiker, die als Bandleader andere Künstler als freie Mitarbeiter beschäftigen, müssen sich spätestens nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.09.15 ( B 3 KS 2/14) damit auseinandersetzen, dass sie möglicherweise nicht nur die eigenen Beiträge zur Künstlersozialversicherung zahlen müssen, sondern auch die Künstlersozialabgabe für die von ihnen als freie Mitarbeiter beschäftigten Künstler.

Bei dem Fall, der dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 30.09.15 (B 3 KS 2/14 R) zugrunde lag, wurde eine Bandleaderin zur Zahlung der Künstlersozialabgabe auf die Honorare ihrer Bandmitglieder herangezogen. Als künstlerische Leiterin zweier Bands organisierte sie regelmäßig deren Auftritte,  an denen sie als Sängerin und Choreographin auch selbst mitwirkte.


Nach Auffassung der Künstlersozialkasse betreibt sie ein Künstlermanagement im Sinne des § 24 Abs, 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG ist zur Künstlersozialabgabe ein Unternehmer verpflichtet, der eine Theater-,  Konzert oder Gastspieldirektion oder ein sonstiges Unternehmen betreibt, dessen wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer Werke oder Leistungen zu sorgen.

Die Bands der Klägerin treten in der Regel in einer Besetzung von vier bis sechs Musiker auf und spielen im Rahmen von Liveauftritten von der Bandleaderin ausgewählte und arrangierte Coverversionen von Hits aus den 1970er bis 1990er Jahre. Die klagende Bandleaderin hatte für ihre beiden Gruppen jeweils in eigenem Namen die Verträge mit Veranstaltern oder Veranstaltungsagenturen geschlossen, die jeweils vereinbarte Gage eingezogen und an die mitwirkenden Musiker, die sie für die Auftritte als freie Mitarbeiter beschäftigte, ausgekehrt. Der Umstand, dass sie selbst im Verhältnis zu den Konzertveranstaltern als Unternehmerin auftrat und ihre Bandmitglieder als freie Mitarbeiter für die jeweiligen Auftritte buchte und honorierte führte dazu, dass sie als Unternehmerin im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG betrachtet wurde.
Daneben resultierte die Pflicht der Bandleaderin zur Zahlung der Künstlersozialabgabe in dem zur Entscheidung stehenden Fall auch aus § 24 Abs. 2 Satz 1 KSVG. Von dieser Vorschrift werden Unternehmer erfaßt, die nicht nur gelegentlich Aufträge an selbständige Künstler und Publizisten erteilen.  Da die Klägerin die anderen Bandmitglieder regelmäßig als freie Mitarbeiter beschäftigte, war sie auch nach dieser Auffangbestimmung zur Zahlung der Künstlersozialabgabe verpflichtet.

"Money for Nothing" ist die Künstlersozialabgabe aber natürlich nicht, denn sie finanziert die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung selbständiger Künstler und Publizisten und ist eigentlich eine ziemlich großartige Errungenschaft.

Sind Bands  - wie in dem hier entschiedenen Fall - so organisiert, dass ein Bandmitglieder allein nach außen die Geschäfte führt und die übrigen Bandmitglieder lediglich für Auftritte als freie Mitarbeiter vergütet, muss die Künstlersozialabgabe in die mit den Konzertveranstaltern zu vereinbarenden Honorare einkalkuliert werden.

Soll vermieden werden, dass die Künstlersozialabgabe von einem Bandmitglied für die Leistungen der anderen Bandmitglieder gezahlt werden muss,  muss innerhalb der Band eine andere Form der Zusammenarbeit gestaltet werden.

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Doris Kindermann

















Dienstag, 23. Februar 2016

Schönheitsoperation auf Krankenschein? Hier kriegen Sie Ihr Fett weg!

Eine Schönheits-OP auf Kostender der Krankenversicherung durchführen zu lassen ist in aller Regel nicht möglich.

Zu sogenannten Schönheitsoperationen gehören unter anderem  Haut- und Lidstraffungen ebenso wie Fettabsaugung, Nasen- oder Kinnkorrektur und Brustvergrößerung- oder verkleinerung.

Krankenversicherungen dürfen Leistungen, die nicht notwendig sind, nicht bewilligen. Bestimmte Maßnahmen, wie z.B. Schönheitsoperationen werden deshalb nicht von der Krankenversicherung übernommen.  Betroffen sind oftmals aber auch Eingriffe und Verfahren, deren Wirksamkeit nicht hinreichend belegt ist oder auch Eingriffe, bei denen die Grenze zwischen medizinisch erforderlichem Eingriff und Schönheitsoperation fließend oder umstritten ist. Für Fettabsaugungen (Liposektion) wird seitens der behandelnden Ärzte beispielsweise oftmals durchaus von einer medizinischen Indikation ausgegangen, Krankenversicherungen sehen diese jedoch in der Regel nicht.



Immer wieder gelingt es aber, im Einzelfall doch eine Kostenübernahme durch die Krankenversicherung zu erwirken. 

Denn weil die Versicherungsnehmer in der Vergangenheit auf die Entscheidung ihrer Krankenversicherung darüber, ob die Kosten einer medizinischen Behandlung übernommen werden oder nicht, oftmals lange warten mussten, hat der Gesetzgeber den Krankenversicherungen für die Ablehnung entsprechender Leistungen zeitlich recht enge Grenzen gesetzt. Lehnt die Krankenversicherung eine beantragte Leistung nicht innerhalb dieser Fristen ab, so gilt die beantragte Leistung als genehmigt und der Versicherungsnehmer hat einen Anspruch auf Kostenerstattung für die Behandlung. Dies gilt nach einhelliger Auffassung auch für die Kosten solcher Behandlungen, die nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht übernahmefähig sind. Mithin auch für Schönheitsoperationen, wie z.B. Facelifts oder Ohrenkorrekturen.

Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht hat in seinem Beschluss vom 20.01.16 ( L 5 KR 238/15 B ER) wie zuvor auch schon das Sozialgericht Lüneburg mit  Urteil vom 17.02.15 ( S 16 KR 96/14) nun auch noch einmal klargestellt, dass den Versicherungsnehmern in dem Fall, dass eine beantragte Leistung nicht innerhalb der vorgesehenen Frist abgelehnt wird, nicht nur ein Kostenerstattungsanspruch zusteht, sondern dass die Versicherungsnehmer in diesem Fall einen Sachleistungsanspruch gegen ihre Krankenversicherung haben. Von der Krankenversicherung war in dem zur Entscheidung stehenden Fall zunächst behauptet worden, die Versicherungsnehmerin, die eine Fettabsaugung durchführen lassen wollte,  hätte lediglich einen Kostenerstattungsanspruch mit der Folge, dass sie die Kosten der Behandlung zunächst hätte verauslagen müssen. Die vom Gesetzgeber zugunsten der Versicherungsnehmer getroffene Regelung hätte dann all jene ausgeschlossen, die es sich nicht hätten leisten können, die Kosten für die gewünschte medizinische Maßnahme zunächst selbst zu zahlen. Hier stellte das Landessozialgericht klar, dass die gesetzlichen Regelungen einen Sachleistungsanspruch direkt gegen die Krankenversicherung beinhalten. Dass heißt die Versicherungsnehmerin konnte die Fettabsaugung vornehmen lassen und das Krankenhaus durfte die erbrachte Leistung direkt mit ihrer Krankenkasse abrechnen.

Eine beantragte Leistung, die nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von der Krankenkasse abgelehnt wird, gilt von der Krankenversicherung hiernach als genehmigt und kann von dem Leistungserbringer, d.h. dem Arzt oder dem Krankenhaus, direkt mit der Krankenversicherung abgerechnet werden. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei der beantragten Leistung um eine  Leistung handelt, die nach den Grundsätzen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht genehmigungsfähig wäre.

Auch  bei geplanten Schönheits-OPs kann es sich daher durchaus lohnen, die Kostenübernahme bei der Krankenversicherung zu beantragen. Wenn Sie Fragen zu diesem Thema haben oder sich durch uns beraten lassen wollen, nehmen Sie Kontakt mit uns auf.

Doris Kindermann